Verhindert oder befördert Präsident Biden in der Ukraine ein zweites Vietnam-Desaster?

US-Veteran in der Ukraine: „Wir führen die US-Außenpolitik auf eine Weise durch, die das Militär nicht kann“

von Alexander Wallasch (Kommentare: 5)

Was die US-Veteranen vor Ort in der Ukraine leisten, unterscheidet sich kaum von jenen Aufgaben, die sie noch im regulären Dienst erledigt haben. Ausbilder bilden Soldaten aus. So auch hier.© Quelle: YouTube / faz, Pixabay / user_id:6964520, janeb13, Wendelin_Jacober I Montage Alexander Wallasch

Die New York Times hatte Anfang des Monats zusammengefasst, wie das amerikanische Engagement in Sachen Militärausbildung der ukrainischen Streitkräfte in der Vergangenheit aussah und aktuell aussieht.

Der Stand heute: Bisher wird ein wie auch immer gearteter Informationsaustausch zwischen US-amerikanischen Veteranen in der Ukraine und dem Pentagon von beiden Seiten bestritten, das Pentagon warnt sogar vor solchen Operationen, so die New York Times (NYT).

Der Artikel der NYT geht zunächst über fünfzig Jahre zurück in der US-Militärgeschichte hin zur Situation, die Anfang der 1960er Jahre zum späteren Vietnam-Desaster der US-Streitkräfte führen sollte:

„Die Vereinigten Staaten sahen eine Bedrohung für einen Verbündeten und auch für die gesamte Weltordnung, befürchteten jedoch, dass die Entsendung von Truppen einen Atomkrieg auslösen könnte. Also lieferte es stattdessen Waffen. Und eine kleine Anzahl von Ausbildern für amerikanische Spezialoperationen begann stillschweigend mit dem örtlichen Militär zu arbeiten."

Das war die Situation in Südvietnam 1961. Die amerikanische Präsenz sei hier auf eine militärische „Beratungstruppe“ beschränkt gewesen, erzählt die Times und befindet:

„Das ist auch die Situation in der Ukraine heute. Während sich ein blutiger Konflikt ausbreitet, bilden kleine Teams von Veteranen amerikanischer Spezialoperationen ukrainische Soldaten in der Nähe der Front aus und helfen in einigen Fällen bei der Planung von Kampfeinsätzen.“

Aber es gebe einen bemerkenswerten Unterschied, befindet die Zeitung: In Vietnam wären die Ausbilder Truppen im aktiven Dienst unter der Kontrolle des Pentagon gewesen. In der Ukraine, wo die Vereinigten Staaten die Entsendung von Truppen vermieden haben, seien die Ausbilder zivile Freiwillige, die durch Online-Spenden unterstützt werden und völlig auf eigene Faust arbeiten.

Auch für Journalisten gilt es also mit Argusaugen zu beobachten und zu recherchieren, ob es hier nicht doch Verbindungen unter der Hand gibt, einen – nennen wir es – freundschaftlichen Austausch, generiert aus einer jahrzehntelangen vorhergehenden offiziellen Zusammenarbeit, oder gar eine verdeckte finanzielle Unterstützung. Das Pentagon weiß natürlich genau, dass hier eine öffentlich gemachte Verbindung, so sie existieren würde, ein Supergau wäre.

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Was die US-Veteranen vor Ort in der Ukraine leisten, unterscheidet sich kaum von jenen Aufgaben, die sie noch im regulären Dienst erledigt haben. Ausbilder bilden Soldaten aus. So auch hier.

Die Times kommt mit einem der US-Freiwilligen ins Gespräch, ein heute 60-jähriger Special-Force-Soldat, der bereits für die US-Armee im Irak, in Afghanistan, Äthiopien, Ägypten, Somalia und Jordanien Einheimische an der Waffe ausgebildet hat.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat einen über 70-Jährigen interviewt, der ukrainische Spezialkräfte in der Nähe von Kiew ausbildet und der noch 14 Monate am Vietnamkrieg teilgenommen hatte und lachend über sich erzählt, er sei ein Trump-Anhänger. Dann zeigt er den deutschen Journalisten seine „Free Ukraine“-Tätowierung am linken Unterarm und verteilt Dollars an ukrainische Mütterchen. Schwer vorstellbar, dass so jemand mit dem Pentagon heimlich Informationen austauschen könnte.

Wieder die Times schreibt in ihrem Artikel weiter:

„Einige Experten warnen davor, dass die Anwesenheit amerikanischer Freiwilliger zu einem tragischen Missgeschick führen könnte, das die Vereinigten Staaten in eine Eskalation nach vietnamesischem Vorbild verstrickt.“

Die US-Amerikaner zogen vor Kriegsbeginn eilig ihre 150 Militärausbilder ab. Aber was genau haben die Amerikaner militärisch in der Ukraine gemacht, bevor die Russen einmarschiert sind?

Das mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Portal Telepolis hat sich damit im März dieses Jahres beschäftigt und Erstaunliches zusammengetragen:

Demnach wurden seit 2015 Mitglieder ukrainischer Eliteeinheiten von der Special Activities Division (SAD) ausgebildet. Die SAD ist eine paramilitärische Spezialeinheit des amerikanischen Auslandsnachrichtendienstes (CIA). Neben kanadischen und britischen Spezialkräften arbeiteten bis Kriegsbeginn auch US-amerikanische Soldaten mit der ukrainischen Nationalgarde zusammen.

Laut Telepolis hatte Yahoo News aufgedeckt, „dass in einem verdeckten Programm seit 2015 auch Mitglieder von ukrainischen Eliteeinheiten unter CIS-Anleitung in den USA ausgebildet wurden und werden. Die Los Angeles Times titelte am 25. Februar 2022: „Die CIA hat ukrainische Aufständische schon früher unterstützt. Lernen wir aus diesen Fehlern“.

Ein Absatz aus dem Bericht, immerhin der Los Angeles Times, gibt besonders zu denken:

„Russland ist am Donnerstag auf dem Land-, Luft- und Seeweg in die Ukraine einmarschiert, aber die Central Intelligence Agency bereitet sich seit Jahren auf einen solchen Moment vor, nicht nur mit vorausschauendem Sammeln und Analysieren von Informationen, sondern auch durch die Vorbereitung der Ukrainer auf einen Aufstand gegen eine russische Besatzung.“

Bisher waren solche Informationen immer als Desinformationen aus Russland disqualifiziert worden, die Los Angeles Times ließ sich davon allerdings nicht beeindrucken.

Aber auch Telepolis macht keine Gefangenen und spekuliert/kommentiert dieses Engagement mit offenem Visier:

„Man kann daran erinnern, dass die CIA mit der ‚Operation Ajax‘ für den Sturz des iranischen Ministerpräsidenten Mohammed Mosaddeq verantwortlich war, das Programm zur Versorgung der Dschihadisten mit Waffen in Afghanistan gegen Russland betrieb und damit al-Qaida und Taliban stärkte, ähnlich war die CIA für die Lieferung von Waffen an die Contras und deren militärische Unterstützung maßgeblich. Die Special Activities Division (SAD) mischt(e) u.a. in Somalia, Afghanistan, Pakistan, im Irak, im Jemen und in Syrien mit, u.a. beim Drohnenkrieg und bei verdeckten Aktionen. In Syrien wurden "Rebellen" trainiert und mit Waffen ausgestattet, um gegen die syrischen Truppen zu kämpfen. Sie schlossen sich teilweise schnell den Islamisten an.“

Yahoo-Autor Zach Dorfman hatte recherchiert, dass die CIA schon länger in der Ukraine aktiv war. Sogar schon vor 2014. Aber dann sei das Programm „hochgefahren worden“. Unter Präsident Barack Obama wäre das nach Dorfmans Informationen sogar „mit hoher Priorität“ geschehen.

Und übrigens: Nachfolger Donald Trump hätte dieses Programm noch ausgebaut und mehr Ukrainer zur Ausbildung in die USA gebracht. Hier immer mit Blick auf eine mögliche Konfrontation mit Russland.

Eine weitere interessante Dorfman-These: Da Russland so viele Spitzel im ukrainischen Geheimdienst gehabt haben soll, wären von den USA verstärkt „Mitglieder von rechtsnationalistischen Freiwilligenmilizen“ ausgebildet worden, berichtet der Recherche-Autor von Yahoo-News. Die US-Amerikaner sind also mit dafür verantwortlich, dass es dieses so oft negativ gegen die Ukraine thematisierte Problem gibt?

Ist das eine Erklärung auch dafür, dass beispielsweise der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, so harsch und selbstbewusst auf derartige Anwürfe reagierte?

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Telepolis weiß von Bildern, die US-Militärs mit Asow-Mitgliedern zeigen. Das Portal geht so weit, einen Zusammenhang herzustellen zwischen diesem Kontakt und damit, „dass die USA und die Ukraine immer wieder seit 2014 gegen den Entwurf einer UN-Resolution zur ‚Bekämpfung der Verherrlichung des Nazismus, des Neonazismus und anderer Aktivitäten, die zur Stärkung gegenwärtiger Formen des Rassismus beitragen‘, stimmten, zuletzt 2021.“

Nochmal zurück zur Times: Die befragte das Pentagon zu den aktuell in der Ukraine als Ausbilder tätigen Veteranen. Das Pentagon aber betonte unmissverständlich, dass es „mit keiner dieser Gruppen verbunden ist“.

Aber mit einer anderen „Gruppe“ steht das Pentagon sehr wohl in Verbindung und die operiert ganz offiziell in Deutschland. Unter anderem der Bayerische Rundfunk berichtete ausführlich von Ausbildungszentren für ukrainische Soldaten mitten in Deutschland.

Dieser Sachverhalt ist vielleicht ganz interessant für jene, die sich fragen, woher die jungen durchtrainierten Männer in den dicken Autos aus der Ukraine kommen, die man gelegentlich auf deutschen Autobahnen erleben kann.

John Kirby, Sprecher des US-Verteidigungsministers, hatte in einer Pressekonferenz bereits offiziell erklärt, dass das ukrainische Militär an mehreren Standorten außerhalb der Ukraine trainiert werde, darunter auch in Deutschland. Und Kirby betonte, dass das US-Militär hierzu mit der deutschen Regierung zusammenarbeite.

Ein pensionierter Colonel der Spezialoperationen des Marine Corps, der in der Ukraine eine Gruppe freiwilliger Veteranen leitet, die Ukrainer ausbilden, hat es gegenüber der New York Times auf den Punkt gebracht:

„Wir führen die US-Außenpolitik auf eine Weise durch, die das Militär nicht kann.“

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